Danken muss gekonnt sein

Von Dr. Christoph Müllerleile

Dr. Christoph MüllerleileDr. Christoph Müllerleile © Dr. Christoph MüllerleileIch spende oft, aber nicht für alles. Trotzdem wird mir immer wieder für Spenden gedankt, die ich nicht getätigt habe. „Heute wollen wir Ihnen einmal danken für die Spenden, die wir immer wieder von Ihnen bekommen“, schreibt zum Beispiel eine Tierschutzorganisation, die zu den Seriösen gehört. Das klingt für mich wie die Masche vom treuen Kunden, dem eine Treueprämie winkt, wenn er noch mehr kauft. Dabei hat er nie gekauft.

Nun ist der Regelfall nicht der unberechtigte Dank, sondern der unzureichende. Wer sich seiner Förderer nur alle Jahre in einem unverbindlichen Dank beim Versand der Spendenquittung erinnert oder unter Hinweis auf Kostenersparnis nicht einmal das tut, beraubt sich des wirksamsten Instruments der Spenderbindung. Keinem der erfolgreichen Großspenderfundraiser in den USA oder Großbritannien würde es einfallen, nach einer beträchtlichen Spende – und sei sie auch noch so regelmäßig – zu warten, bis das Jahr herum ist und sich der oder die Betreffende vielleicht gar nicht mehr an den Anlass des Dankes erinnert. Da kommt gleich der Telefonanruf, begleitet von einem wunderschönen Dankbrief, der nicht so aussieht wie der vorherige, selbstverständlich handschriftlich verfasst ist und herausstellt, was die Wohltäterin oder der Wohltäter für die gute Sache bedeutet.

Und was ist bei uns? Als ich nach langer Mitgliedschaft aus dem Hilfswerk, das mir nie gedankt hat, austrete, werde ich noch beschimpft: Ob ich nicht wüsste, wie wichtig meine Mitgliedschaft für die gute Sache sei und ob ich das den Blinden wirklich antun wolle. An dieser Stelle hätte ich mir für alles gedankt, was ich in zwanzig Jahren für das Werk gespendet hatte – vielleicht sogar die Geldsumme genannt, um zu zeigen, dass alles sehr wohl registriert wurde. Zum Jahresende, bei Wirksamwerden meines Austritts, hätte ich bei mir noch einmal angerufen und mich erneut bedankt, den Austritt noch einmal bestätigt, aber bedauert und die Hoffnung auf Wiedereintritt ausgesprochen. Dann hätte ich mich auf die Sperrliste für weitere Zusendungen gesetzt und ein Jahr später in einem Einzelbrief die Frage gestellt: Haben Sie uns vermisst? Wir aber Sie. Und dann hätte ich ein Projektfoto beigelegt, das wie frisch aus dem Fotolabor aussieht. „Damit Sie wissen, was wir gerade machen.“

Der Dank gehört zu der auch von Kai Fischer in seinem Buch „Warum Menschen spenden“ erarbeiteten Gebe-Logik. Wenn ich keine marktadäquate Austauschbeziehung herstellen kann, dann sollte ich wenigstens betonen, dass ich in der Schuld des oder der Gebenden stehe.

Danken organisiert sich nicht nebenbei, sondern verlangt ein eigenes Dankmanagement. Je nach Arbeitsrhythmus sollten Buchhaltung oder Sekretariat am Ende des Tages die jeweils verbuchten größeren Spenden mit Angabe zu Datum und Höhe, Adresse und Telefonnummer des Spenders oder der Spenderin an die Fundraiserin oder den Fundraiser geben, die vormittags nach 10 Uhr anruft oder sich handschriftlich bedankt, mit handschriftlich adressiertem Umschlag und Briefmarke. Beim Telefongespräch kann man dann auch gleich noch Geburtstag, Hochzeitsjubiläum, Zahl der Kinder und Enkel aufnehmen, natürlich nur, wenn sich das anbietet. Und man erfährt mehr über die Spendermotivation als aus manchem spannenden Seminar.

Das ist viel Aufwand, aber schlimmer als kein Dank oder Dank für nicht geleistete Spenden ist der gedankenlose Routinedank, der nicht von Herzen kommt. Menschen spüren das genau. Hier hat das Wort vom Friendraising vielleicht seine Berechtigung, auch wenn daraus selten echte Freundschaften werden, nachhaltig gute Beziehungen aber schon.

Zwar sollten wir Menschen ernst nehmen, die uns sagen, sie wollten keinen Dank und wir sollten uns doch die Kosten für Mailings und Dankschreiben sparen. Häufig sind es aber genau die, die nichterfolgte Anerkennung am meisten vermissen.

 

Dr. Christoph Müllerleile ist freier Fachautor für Fundraising und Philanthropie. Der Kommentar stellt seine persönliche Meinung dar. Kontakt: info@fundraising-buero.de

 

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