Online-Kolumne
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Mein Lieblingsbaum? Der Wunschbaum!

Es ist Weihnachtszeit! Wie schön! Überall leuchten Lichterketten, goldene Sterne hängen über Plätzen und Straßen, Weihnachtsbäume strecken ihre Arme aus. Aber halt, etwas ist anders als früher. Statt bunter Christbaumkugeln hängen jetzt viele weiße Zettelchen an den Bäumen. Ist das der neueste Trend der Weihnachtsschmuckindustrie?

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Nein. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich der „Weihnachtsschmuck“ als viele kleine Wunschzettel, die von wackeliger Kinderhand geschrieben sind. Der Wunschzettelbaum ist aus dem deutschen Stadt- und Geschäftsbild nicht mehr wegzudenken - vor allem nicht aus den Foyers von Unternehmen! Dort hängen Weihnachtswünsche von Flüchtlingskindern, Jungen und Mädchen aus der Leukämie-Station, Obdachlosen, Bewohner*innen des benachbarten Altersheims und vielen anderen mehr.  Wir können Maurice ein Skateboard schenken, Farah einen Roller mit Blinkrädern oder Berta eine Heizdecke.

Und auch in den sozialen Medien weisen in diesen Tagen viele Posts in meiner Timeline auf digitale und nicht-digitale Wunschzettelbäume und andere kreative Wunschzettel-Aktionen hin. Denn was gibt es Schöneres - und Passenderes - als zu Weihnachten Menschen in Not eine besondere Freude zu machen? So will es die Weihnachtstradition. So wollen es alle Weihnachtsgeschichten. Nichts verbindet die beiden Dinge, die unser Weihnachten ausmachen - Nächstenliebe und Geschenke - so gut wie der Wunschzettelbaum.

Aber fehlen uns Fundraiser*innen durch solche Sammelaktionen nicht Spendengelder für viel wichtigere Projekte? Für die so wichtige Grundfinanzierung unserer Arbeit, bei der Weihnachtsgeschenke überhaupt nicht helfen?
Ich finde solche Spendenaktionen trotzdem nicht nur schön, sondern auch sehr wirksam für das Fundraising jeder Organisation und kann sie nur empfehlen. Warum?

  1. Unsere Programme sind wichtig für die Menschen, für die wir uns in unserer täglichen Arbeit einsetzen, ja. Aber seien wir ehrlich, „Programme“ reichen nicht zum Leben. Wir alle brauchen diese besonderen Momente, diese kleinen Extrafreuden, die Weihnachten und Weihnachtsgeschenke mit sich bringen. Und zwar nicht nur für arme Kinder und Senior*innen, nein. Warum nicht auch mal eine Weihnachtsgeschenk-Aktion für unsere Ehrenamtlichen oder die Tiere auf unserem Gnadenhof?
     
  2. Geben wir unseren Bestandsspender*innen auf diese Weise nicht eine schöne Möglichkeit, ganz persönlich Freude in die Gesichter der Menschen zu zaubern, denen auch sonst ihre Spende gilt? Ist der „warm glow“ hier nicht besonders intensiv? Können wir hier nicht besonders schöne Geschichten und Fotos auf unseren Social Media Kanälen und in unseren Newslettern erzählen? Gönnen wir doch unseren Spender*innen diese Momente. Dann werden sie auch danach gerne wieder unsere „Programme“ unterstützen.
     
  3. Wir Fundraiser*innen wissen es alle: Erstspender*innen sind die teuersten. Und wie lassen sich neue Spender*innen einfacher gewinnen, als durch solche Weihnachtsaktionen? Und zwar nicht nur private Spender*innen - sondern auch Unternehmen! Denn die beteiligen sich nur allzu gerne an Wunschzettelaktionen. Können Unternehmen doch so alle ihre Mitarbeiter*innen in die Spendenaktion mit einbeziehen (und dann natürlich ordentlich etwas drauflegen!). Und habe ich als Organisation ein Unternehmen erst einmal im Boot, kann ich den Geschäftsführer im nächsten Jahr bestimmt noch um einen zusätzlichen Geldbetrag für den geplanten hauseigenen Spielplatz bitten, der nun mal unter keinen Weihnachtsbaum passt.

Ach, irgendwie hätte ich auch wieder mal Lust, einen Wunschzettel zu schreiben. Frieden würde darauf stehen. Und Gerechtigkeit. Und eine heile Erde. Aber ich würde den Zettel nicht an einen Weihnachtsbaum hängen. Ich würde ihn einem Fremden in die Hand drücken und sagen: Bitte gib ihn weiter!
Gesegnete Weihnachten, liebe Kolleginnen und Kollegen!

 

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Porträt Dr. Christian Gahrmann

Über den Kolumnisten

Dr. Christian Gahrmann ist Experte für strategisches Fundraising und passionierter Geschichtenerzähler. Nach Stationen als Fundraiser bei der Deutschen Diabetes Stiftung, Roland Berger Strategy Consultants und der China-EU School of Law arbeitet Christian Gahrmann seit 2012 als selbstständiger Fundraising-Berater (www.christian-gahrmann.de).

Zu seinen Beratungsschwerpunkten gehören unter anderem die erfolgreiche Gestaltung und Umsetzung von Fundraising in den sozialen Medien. Er ist Gründer der größten Fundraiser-Community (www.nachhaltiges-fundraising.de) und der größten Spender-Community (www.traumspender.de) auf Facebook.

 

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